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„Proxima – Die Astronautin“: Familiendrama mit Sci-Fi-Einschlag

„Proxima – Die Astronautin“: Familiendrama mit Sci-Fi-Einschlag

„Proxima – Die Astronautin“ zeigt, wie emotional beschwerlich die Reise ins Weltall sein kann, lange bevor die Atmosphäre verlassen wurde.

Wenn ein Film den Beinamen „Die Astronautin“ spendiert bekommt, bringt das zwangsläufig gewisse Assoziationen mit sich. Beklemmende Szenen im luftleeren Raum kommen einem in den Sinn. Technische Probleme an Bord des Raumschiffs, die es nervenaufreibend zu überwinden gilt. Und natürlich auch Schauwerte, die buchstäblich nicht von dieser Welt sind. Die französisch-deutsche Koproduktion „Proxima“ von Regisseurin Alice Winocour (45), die am 24. Juni ins Kino kommt, geht jedoch einen anderen Weg. Sie macht aus dem Streben nach den Sternen ein sehr weltliches Familiendrama.

Hin- und hergerissen: Darum geht es

Für Astronautin Sarah (Eva Green, 40) hat sich ein lebenslanger Traum erfüllt. Sie wurde für die „Proxima“-Crew auserkoren, die zur ISS fliegen und die erste bemannte Reise zum Mars vorbereiten soll. Während ihrer nerven- wie kraftraubenden Vorbereitung auf die Reise ins All muss sie sich nicht nur den Respekt ihrer durchweg männlichen Kollegen erarbeiten, darunter der US-amerikanische Leiter der Mission, Mike (Matt Dillon, 57). Mit jedem verstrichenen Tag, durch den die einjährige Mission unweigerlich näher rückt, macht sie sich größere Sorgen um ihre Tochter Stella, die sie auf der Erde zurücklassen muss.

Die Siebenjährige für die Dauer der Mission in der Obhut ihres leiblichen Vaters Thomas (Lars Eidinger, 45) zu lassen, bereitet Sarah Bauchschmerzen. So starke, dass sie ernsthaft darüber nachdenkt, die Chance ihres Lebens doch noch verstreichen zu lassen. Ein unlösbarer Konflikt scheint sich vor ihr aufzubauen: Würde sie es sich je verzeihen, in den Weltraum zu fliegen und ihre Tochter zurückzulassen? Und würde sie es sich je verzeihen, es nicht zu tun?

Karriere oder Familie?

„Proxima“ stellt auf denkbar extreme Weise die oft diskutierte Frage, bis zu welchem Grad sich Karriere und Familie miteinander vereinbaren lassen. Dabei macht es der Film – wie in unserer Gesellschaft noch immer üblich – zu einem Konflikt, dem sich vornehmlich die weibliche Protagonistin gegenübersieht. Keinem von Sarahs männlichen Astronauten-Kollegen bereitet der Gedanke jedenfalls allzu schlaflose Nächte, dass sich ihre Frau allein um die Kids kümmern muss, während sie das Weltall bereisen.

Das macht aus Eidingers Figur zwangsläufig eine eher undankbare Rolle. Zwar darf er Vater Thomas einfühlsam, liebenswert und ja, auch fürsorglich darstellen. Zugetraut, dass er für ein Jahr allein auf seine Tochter aufpassen kann, wird ihm dennoch nicht. Neben Eidinger ist in einer weiteren kleinen Rolle übrigens noch Sandra Hüller (43, „Toni Erdmann“) zu sehen. Als Psychologin versucht sie, Mutter und Tochter auf die bevorstehende Trennung vorzubereiten.

Ruhige Momente dominieren

Bei „Aufbruch zum Mond“, Damien Chazelles (36) Biopic über den ersten Mann auf dem Mond, Neil Armstrong (1930-2012), hielten sich weltliches Drama und Weltraum-Erkundung noch ungefähr die Waage. Bei „Proxima“ schlägt das Pendel hingegen noch einmal deutlich in Richtung Familiendrama aus. Theoretisch hätte Figur Sarah für ein Jahr auch einen Job am anderen Ende der Welt annehmen können, ihr innerer Konflikt wäre wohl derselbe gewesen. Einzig die Endgültigkeit, mit der sich Mutter und Tochter für ein Jahr lang nicht von Angesicht zu Angesicht sehen können, ist durch das Setting noch klarer abgesteckt.

Weltraum-Feeling kommt bei „Proxima“ sporadisch auf, etwa, wenn Sarah und ihre Kollegen in Raumanzügen und unter Zeitdruck für den Ernstfall trainieren. Wer aber angesichts des Titels, des Trailers oder der Bilder mehr Sci-Fi erwartet, wird enttäuscht. Herzstück des Films sind die rührende und zunehmend komplizierte Beziehung zwischen Mutter und Tochter und die beidseitigen Trennungsängste. Hier brilliert neben Green, die voll in ihrer Rolle aufgeht, die Nachwuchsschauspielern Zélie Boulant-Lemesle und empfiehlt sich für weitere Leinwand-Einsätze.

Fazit:

„Proxima – Die Astronautin“ ist ein sehr einfühlsamer Film, der sich stellenweise wie eine begleitende Doku über eine Weltraum-Pionierin anfühlt. Wer auf kometenhafte Science-Fiction hofft, wird von einem bodenständigen Drama überrascht und wohl zwangsläufig enttäuscht. Mit der richtigen Erwartungshaltung bietet „Proxima“ hingegen vor allem in seinen leisesten Momenten die lauteste Botschaft.