Staufen, 09.02.2024 (lifePR) – Udo Lindenberg hört beim Joggen Gustav Mahler und Robert Schumann, Scott Joplin regt Claude Debussy zu eigenen Ragtimes an – und ein junger Geiger namens François-Joseph Gossec erlebt im barocken Orchester Jean-Philippe Rameaus, des Gründervaters der Harmonielehre, was für ein vielseitiges Instrument die gerade erfundene Klarinette ist: Nur einige von unzähligen Geschichten, die die neue BDB-Musikakademie und das BDB-Kulturhotel erfüllen. Wer sind die musikalischen „Hausgeister“ ? Welches Konzept steht hinter ihrer Auswahl? Einblicke in ein spannendes Projekt.
Wer eine „Geschichte der Musik“ schreiben oder annähernd darstellen will, hat buchstäblich die Qual der Wahl: Dass die großen, allgemein bekannten und gewissermaßen „unstrittigen“ Namen dort zu finden sind, versteht sich von selbst. Aber bildet eine solche allein auf gängigen Namen gründende Auswahl Musikgeschichte, auch musikgeschichtliche Epochen wirklich adäquat ab, die sich doch eher als ein Neben- und Ineinander von heterogenen „Musiksprachen“, Stilen und Genres und als übergängige „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ darstellen? Der Blick zurück aus dem Heute kann immer auch ein verfälschender sein. Wer zum Beispiel weiß, dass nicht etwa Johann Sebastian Bach, sondern sein guter Freund Georg Philipp Telemann, Schöpfer eines sprichwörtlich gigantischen Gesamtwerkes und Komponist zahlreicher bedeutender Konzerte für Blasinstrumente, 1722 Wunschkandidat für das Amt des Thomaskantors zu Leipzig und europaweit bewunderter Top- Star seiner Zeit war, der begreift, dass eine Auswahl von Komponistennamen auch für ein Projekt wie die Ausstattung der Räumlichkeiten der neuen BDBMusikakademie solche Aspekte zu berücksichtigen hat. Von Beginn der gemeinsamen Arbeit an hat das dreiköpfige „Storytelling“-Team, bestehend aus Christoph Karle, Siegfried Rappenecker und mir, genau das aber auch als Chance gesehen: Die Auswahl bestimmter Komponisten, vor allem auch Komponistinnen für die neue BDB-Musikakademie sollte möglichst keine Klischees weiter festschreiben, sondern neue, ganz bewusst auch ungewohnte und vor allem zeitgemäßere Perspektiven eröffnen. Dazu gehört auch, neben zu Unrecht vergessenen oder fehlgedeuteten und erst allmählich sich der Wiederentdeckung erfreuenden Komponisten vor allem auch Komponistinnen Aufmerksamkeit zu schenken. Mit Emilie Mayer ist beispielsweise eine Komponistin vertreten, die sich ganz bewusst nicht auf die für Frauen vorgesehenen, weil „schicklichen“ Gattungen wie Lied und Klaviermusik beschränkte, sondern Sinfonien und Ouvertüren, darunter eine zu Goethes „Faust“ schrieb – und in dem Blasmusik-Pionier und Tuba-Miterfinder Wilhelm Wieprecht einen überzeugten Förderer hatte. Auch sind solche Komponisten vertreten, die auf den ersten Blick wenig bis nichts mit Blasmusik zu tun zu haben scheinen– wobei die meisten natürlich auch Werke für Blasinstrumente geschrieben haben, sogar Frédéric Chopin, der das Klavier zum Mittelpunkt seines Schaffens erhob und unter Einfluss des Belcanto Rossinis und Donizettis „singen“ ließ. Für die Instrumentalmusik epochemachend war etwa Girolamo Frescobaldi: Gegenüber der höher angesehenen Vokalmusik verlieh er der reinen Instrumentalmusik eine bis dato unbekannte Ausdruckskraft und Wertigkeit, die weit über seine Zeit hinausreichte. Josquin Desprez wiederum wurde ganz bewusst vom Storytelling-Team an den Beginn der Reihen von Komponistinnen und Komponisten gesetzt, die in chronologischer Folge den einzelnen Gästezimmern des Kulturhotels zugeordnet sind: Er gilt als erster „moderner“ Komponist, dessen Name zudem fest mit der Erfindung des Notendrucks 1498 bzw. 1501 durch Ottaviano Petrucci verbunden ist – den der „Beethoven der Renaissance“ überaus geschäftstüchtig einzusetzen wusste. Musik als Business ist eines der vielen Themen, das die Reihen ausgewählter Komponistinnen und Komponisten durchzieht – neben zahlreichen weiteren Querverbindungen, zu denen auch Themen wie „musikalische Formen“, „sakrale und weltliche Musik“, „Bach-Rezeption“, „Musik und Natur“, „Musik, Literatur und Bildende Kunst“ und Filmmusik“ gehören, die die innere Vielfalt der Komponistenauswahl widerspiegeln. Musikgeschichte(n) – ein wenig anders erzählt: In die Überlegungen hierzu wirkte auch hinein, dass die BDB-Musikakademie ihre traditionsreichen Wurzeln in der Blasmusik hat, die auch weiterhin den „cantus firmus“ in der immer schon vielstimmigen, zukünftig um Chormusik, Akkordeon-, Zupf- sowie Rock- und Popmusik erweiterten „Partitur“ der neuen Akademie bilden wird. Anders als oft dargestellt, ist die Bläsermusik nicht etwa ein bloßes „Seitengewächs“, sondern Teil der Musikgeschichte. Anhand von Komponisten wie François-Joseph Gossec, Percy Grainger, Alfred Reed und Rolf Rudin, aber auch Ludwig van Beethoven und Hector Berlioz wird deutlich, wie sehr sich sog. Klassik und Blasmusik, „E“ und „U“, immer schon wechselseitig beeinflusst haben. So wurde Bach in einer Familie mit Stadtpfeifer-Tradition groß, Hector Berlioz griff für seine über das 19. Jahrhundert hinaus bedeutende, gerade auch die Ausdrucksqualitäten der Blasinstrumente herausstreichende Instrumentationslehre wesentlich auf die musikalisch wahrhaft revolutionären „Vorarbeiten“ des von Mozart bewunderten Militärmusikers Gossec zurück – ohne den wiederum das Tamtam nicht den Weg ins Schlagwerk gefunden hätte und dem die Klarinette wesentlich den Beginn ihres „Siegeszuges“ über Mozart, Carl Maria von Weber und Johannes Brahms bis in unsere Zeit zu verdanken hat. Das Storytelling-Konzept des Kulturhotels der neuen BDB-Musikakademie will solche Verflechtungen verdeutlichen und zugänglich machen, um ihren Gästen – Musikerinnen und Musiker der Amateur- und Profiszene, Unternehmensgäste und Touristen – ein echtes Bildungserlebnis zu schaffen und nicht zuletzt auch zu einem Imagewechsel der Blasmusik in der Öffentlichkeit beizutragen. Dabei ist gerade auch das interdisziplinäre Potenzial der Bläsermusik gedanklicher Pate eines weiteren Auswahlaspektes: Die auf der großen Schauwand im Foyer des Kulturhotels versammelten Komponistinnen und Komponisten, die auch in „ihren“ Räumen und Gästezimmern mittels Porträts, Info-Texten und Abbildungen von Handschriften präsent sein werden, zeichnen sich allesamt durch eine interdisziplinäre und interstilistische Offenheit gegenüber Musik verschiedenster Herkunft aus. Ob Tanz- und Volksmusik bei Bach und Purcell, die Inspiration durch die Musik ungarischer Bauern und fremder Völker bei Bartók, die „neuen Welten“ bei Dvořák, der sich von Spirituals, „scotch snaps“ und indigenen Gesängen beeinflussen ließ oder Opernfan Freddie Mercury, der gerne mal aus Bach-Kantaten zitierte: Aus der steten Inspiration über Stil-, Genre- und Ländergrenzen hinweg zieht Musik ihre zeitlose, Menschen verbindende und bildende Kraft, gewinnen musikalische Schöpfungen ihre Strahlkraft, die sie erst zu Schlüsselwerken macht. Ein Gedanke, der auch wesentlich Leben und Schaffen einer der größten Lehrerinnen der Musikgeschichte bestimmte:Aus der Schule Nadia Boulangers, Komponistin, Pionierin der sog. „Alten Musik“ und Dirigentin, gingen große prägende Musikerpersönlichkeiten wie Leonard Bernstein, George Gershwin und Astor Piazzolla hervor – auch Komponist und Musikproduzent Quincy Jones, der Michael Jacksons Album „Thriller“ zu einem Welthit machen sollte. Ehrensache, den zu Begegnung und Gespräch einladenden Mittelpunkt der „Tenor“-Etage der neuen BDB-Musikakademie, in dem sich die Seminar-und Konferenzräumlichkeiten befinden und der zu Begegnung und Gespräch einlädt, in Anlehnung an ihre legendäre Pariser Wohnung „Boulangerie“ zu nennen und viele weitere große Komponisten und Lehrerpersönlichkeiten wie Joseph Haydn, Giovanni Gabrieli oder Johann Joachim Quantz um ihren Namen zu versammeln. Eine überaus vielstimmige Partitur also, die ganze Musikwelten zusammenführt und die – passend zur Vokal- und Chormusik – nach Stimmlagen von Bass über Tenor und Alt bis hin zum Sopran geordnet ist und denen vom erdigen van Dyck-Braun bis zum warmen Kurkuma- Gelb bewusst ausgesuchte Farbtöne zugeordnet sind. Da hätte sich auch Synästhetiker Alexander Skrjabin mit seinem „Farbenklavier“ wohlgefühlt – einer der vielen Komponisten, die es gewiss auch verdient gehabt hätten, ausgewählt zu werden, die aber durch die verbindenden, bewusst Querverweise einstreuenden Informationstexte in der neuen BDB-Musikakademie gleichermaßen präsent sind. Die Zitate, die in jedem Gästezimmer zu finden sind und von der ausgehenden Renaissance bis in die Gegenwart reichen, kreisen um die Musik als bildende, verbindende Kraft, die Grenzen überwindet und den Frieden fördert: Béla Bartók stellte sein Leben und Schaffen in den Dienst dieser friedensstiftenden Kraft, die für Hans Werner Henze „das größte und natürlichste Heilmittel gegen Gewalt, Intoleranz und Dummheit“ war. An welchem Ort könnte solch wichtigen Gedanken und Ideen besser nachgespürt und nachgeeifert werden als an einer Musikakademie, die die Vielfalt der Musik, die Offenheit gegenüber allen Erscheinungsformen von Musik in ihrer DNA trägt und in der Profis und Amateure, Menschen jeden Geschlechts, jeder Herkunft und jeden Alters gemeinsamen musizieren – und der mit ihrem Kulturhotel neue Möglichkeiten zuwachsen, noch mehr Menschen für Musik, Bildung und Kultur zu gewinnen. Edda Güntert