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„Percy“: Ein mutiger Kleinstadtbauer spielt David gegen Goliath

Ein kleiner Bauer nimmt es mit dem mächtigen Landwirtschaftskonzern Monsanto auf und setzt dabei seine gesamte Existenz aufs Spiel. Die Handlung von „Percy“ wirkt zunächst aufgewärmt und erinnert an „Erin Brockovich“. Sehenswert ist das Biopic mit Christopher Walken dennoch.

Es ist eine Geschichte, die es bereits häufig in unterschiedlicher Form im Kino zu sehen gab: Ein Otto Normalbürger nimmt es mit einem Großkonzern auf und spielt David gegen Goliath. Die Erfolgsaussichten sind gering, der Einsatz äußerst hoch. Genau so eine Geschichte erzählt Regisseur Clark Johnson (66) mit seiner Filmbiografie „Percy“, die am 1. Juli in den deutschen Kinos startet. Sie weckt Erinnerungen an „Erin Brockovich“ (2000) und ist wie das Oscar-prämierte Justizdrama äußerst sehenswert – insbesondere dank einer perfekt ausgewählten Starbesetzung.

Worum es geht: Der Fall Percy Schmeiser vs. Monsanto

Was tun, wenn ein Großkonzern einen wegen Diebstahls auf Schadensersatz verklagt? Genau diese Frage muss sich Percy Schmeiser (Christopher Walken, 78) stellen, als er ein Schreiben des Chemieriesen Monsanto auf seiner kanadischen Farm erhält. Monsanto beschuldigt ihn, anstelle des eigenen Saatgutes den genmanipulierten Raps der Firma auf seinen Feldern auszusäen, der gegen ein bestimmtes Unkrautvernichtungsmittel resistent ist. Obwohl die Chancen für den 70-Jährigen schlecht stehen, lässt er sich nicht einschüchtern und zieht mit Hilfe eines lokalen Anwalts (Zach Braff, 46) vor Gericht. Unterstützung erhält er von seiner Frau (Roberta Maxwell, 80) und einer Umweltaktivistin (Christina Ricci, 41).

Durch seinen mehrjährigen Rechtsstreit mit Monsanto, der 1998 begann und es bis vor das Oberste Gericht Kanadas schaffte, wurde Percy Schmeiser (1931-2020) zu einer Symbolfigur im Kampf kleiner, unabhängiger Bauern um ihre Rechte. Ob Schmeiser den Film über seinen mutigen Einsatz noch sehen konnte, ist unklar. Denn der deutschstämmige Saatgutzüchter verstarb im vergangenen Oktober mit 89 Jahren vier Tage vor dem offiziellen Kinostart in seiner Heimat Kanada. Bereits 2007 erhielt er den „Alternativen Nobelpreis“, 2010 verlieh der Bund Naturschutz Bayern ihm und seiner Frau zudem den Bayerischen Naturschutzpreis.

Oscarpreisträger Christopher Walken und Zach Braff stechen hervor

Altstar Christopher Walken („Catch Me If You Can“, 2002) verkörpert den selbsternannten „Saatgutsammler“ Schmeiser genau so, wie man sich den Traditionsbauern vorstellt – kämpferisch, dickköpfig, still leidend. Man sieht ihm an, dass er die Welt nicht mehr versteht, wenn er mit seinem alten Dodge (mit „Percy“-Kennzeichen) zum Rapsfeld seines Freundes Alton (Adam Beach, 48) fährt und beobachtet, wie Monsanto-Mitarbeiter unerlaubt Proben sammeln. Dann greift er auch mal zur Flinte, um den Einschüchterungsversuch des Großkonzerns zu stoppen. Aktivistin und Spendensammlerin Rebecca (Ricci) gegenüber betont er zunächst, „kein Fall für die Wohlfahrt“ zu sein. Der stolze Mann will seine Angelegenheiten selbst regeln.

Ex-007-Bösewicht Walken („Im Angesicht des Todes“, 1985) beweist mit seiner Leistung, dass er zu Recht einen Oscar im Schrank hat – und dass er als Darsteller auch im hohen Alter noch lange nicht abgeschrieben werden kann. Sein Spiel sorgt dafür, dass man mit seiner Figur fühlt, und es harmoniert insbesondere mit dem von Co-Star Roberta Maxwell. Als Percys Ehefrau Louise merkt man ihr die tiefempfundene Liebe zu ihrem Ehemann an, die nach vielen Ehejahren nicht mehr vieler Worte bedarf. Gemeinsam mit der zuletzt eher in Vergessenheit geratenen Christina Ricci und Zach Braff komplettiert sie ein überaus harmonisch agierendes Darstellerquartett.

Neben Christopher Walken sticht vor allem Braff als Provinzanwalt hervor. Der als J.D. in der Sitcom „Scrubs – Die Anfänger“ (2001-2010) bekannt gewordene Schauspieler aus dem US-Bundesstaat New Jersey beweist in „Percy“ sein Talent als Charakterdarsteller. Besonders berührt er, als seine Figur Jackson Weaver zugibt, sich einen Einsatz am kanadischen Supreme Court nicht zuzutrauen. „Sie müssen sich einen besseren Anwalt suchen“, sagt er offen und ehrlich und präsentiert seinem Klienten Percy Schmeiser ein Kündigungsschreiben – das der als Zeichen seines unumstößlichen Vertrauens wortlos zerreißt.

Das Ticket für „Percy“ lohnt sich

Die heftigen Diskussionen rund um das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und die Praktiken der modernen, global ausgerichteten Landwirtschaft liegen bereits mehrere Jahre zurück. Momentan beherrscht die Corona-Pandemie weiterhin die Berichterstattung, weshalb „Percy“ nicht unbedingt zum passenden Zeitpunkt in die wieder öffnenden Lichtspielhäuser kommt. Oder vielleicht doch? Denn gerade durch den Lockdown ausgehungerte Kinogänger dürften sich nach Unterhaltung sehnen, die Themen in den Vordergrund rückt, die nichts mit Coronavirus und Co. zu tun haben.

„Percy“ bietet genau diese Art von Unterhaltung und regt zugleich zum Nachdenken an – über die fortschreitende Globalisierung, die teils fragwürdigen Praktiken von Großkonzernen und die Zukunft kleiner Landwirte. Denn das Drama erzählt keine fiktive Geschichte, sondern basiert auf einer realen Begebenheit. Percy Schmeiser hatte wirklich den Mut, sich gegen den global agierenden Monsanto-Konzern zur Wehr zu setzen und dafür alles zu riskieren, was er sich in seinem Leben aufgebaut hat. Den Abspann widmet Regisseur Clark Johnson deshalb ihm und seinen Weggefährten, die man allesamt als Helden des Alltags bezeichnen kann.

Dem wahrlich berührenden Filmerlebnis liegt – wie „Erin Brockovich“ vor 21 Jahren – also eine David-gegen-Goliath-Geschichte zugrunde, die das Leben selbst geschrieben hat. Hollywood hat sie lediglich für die große Leinwand angepasst und durch ein wenig in Vergessenheit geratene, aber brillante Stars wie Christopher Walken und Zach Braff aufpoliert. Das Ergebnis kommt nicht zu hundert Prozent an Steven Soderberghs (58) Werk mit Julia Roberts (53) in der Hauptrolle heran, kann sich aber durchaus sehen lassen.