„Beflügelt“: So half die echte Sam Bloom ihrer Filmversion Naomi Watts
„Beflügelt“: So half die echte Sam Bloom ihrer Filmversion Naomi Watts
Ab 19. August ist die tragische Geschichte der querschnittsgelähmten Australierin Sam Bloom in den deutschen Kinos zu sehen. Im Interview sprechen sie und ihr Mann Cameron über die Verfilmung ihrer dunkelsten Stunden und verraten, ob die Elsterdame Penguin noch heute ab und an vorbeischaut.
Die tragische Geschichte der querschnittsgelähmten Australierin Sam Bloom (50), die mit Unterstützung eines kleinen Vogels namens Penguin wieder neuen Lebensmut fasst, wurde bereits 2016 in Buchform („Penguin Bloom: Der kleine Vogel, der unsere Familie rettete“) ein Verkaufsschlager. Am 19. August startet nun die Filmversion mit dem Titel „Beflügelt – Ein Vogel namens Penguin Bloom“ in den deutschen Kinos. In den Hauptrollen von Sam und ihrem Ehemann, dem Fotografen Cameron Bloom, sind die Hollywood-Stars Naomi Watts (52, „The Impossible“) und Andrew Lincoln (57, „The Walking Dead“) zu sehen.
In die Haut der ehemaligen Krankenschwester und dreifachen Mutter zu schlüpfen, die Anfang 2013 im Thailand-Urlaub zwei Stockwerke tief fiel und seitdem im Rollstuhl sitzt, muss auch für die erfahrene Schauspielerin Naomi Watts eine schwierige Aufgabe gewesen sein. Der Nachrichtenagentur spot on news verrät die erfolgreiche Parakanutin Sam nun, wie sie dem oscarnominierten Weltstar bei der Vorbereitung unter die Arme griff und ob Watts‘ Darstellung in ihren Augen gelungen ist. Außerdem erinnern sie und ihr Mann Cameron sich daran, wie es zunächst zum Buch und anschließend zum Kinofilm kam und erklären, was dem Streifen eine persönliche Note verleiht – und ob die Elsterdame Penguin noch heute ab und zu bei den Blooms vorbeischaut.
Ihre Familiengeschichte – so wie sie im Buch und im Kinofilm beschrieben ist – ist tragisch, aber auch hoffnungsvoll. Warum haben Sie sich dazu entschieden, sie mit der Öffentlichkeit zu teilen?
Cameron Bloom: Alles begann damit, dass Penguin in unser Leben trat und ich ständig Fotos machte. Unsere Jungs schlugen vor, ein Instagram-Konto zu eröffnen… und dann wurde es verrückt. All diese Verleger kontaktierten mich und wollten eine Geschichte über unseren Vogel schreiben. Ich sagte jedoch: „Diese Geschichte hat noch mehr zu bieten“. Dann betrat (Autor) Bradley Trevor Greive die Bühne, der das Buch geschrieben hat. Er meinte: „Ich weiß genau, wie wir diese Geschichte erzählen sollten – wir nutzen Penguins Reise und die Fotos, um damit Sams Geschichte zu erzählen.“ Dann nahm alles einen natürlichen Lauf. Das Buch wurde erfolgreich und Naomi (Watts) wollte Sam (in einem Film) spielen. Wir hatten nicht bewusst vor, unsere Geschichte raus in die Welt zu tragen.
Sam Bloom: Es ist einfach passiert.
Was bedeutet es Ihnen, Ihre Geschichte auf der großen Leinwand zu sehen?
Sam: Es ist offensichtlich eine Ehre, dass jemand wie Naomi mich spielt, denn ich bin einfach ich. Wir sind eine normale Familie.
Cameron: Wir sind einfach das Paar, das die Straße runter wohnt und drei Kinder hat. Wir könnten jede beliebige Familie sein.
Sam: Es ist verrückt! Niemals … hätten wir gedacht, dass jemand einen Film über uns dreht.
Cameron: Und das in unserem eigenen Haus!
Was es nochmal eine Spur persönlicher werden lässt…
Cameron: Ja und ich denke, (das Filmteam) konnte eine bestimmte Energie spüren, weil es in ebenjenem Haus war, wo alles stattgefunden hat. All meine Fotos wurden in und um das Haus geschossen. Der Regisseur und der Kameramann nahmen viele Blickwinkel ein, die denen meiner Aufnahmen ähnelten. Das war schön und es verleiht Tiefe.
Es sollte einfach Ihre Geschichte bleiben.
Sam: Ja. Das war das Erste, was ich den Produzenten gesagt habe: Ich will, dass es echt und authentisch ist und keinen großen Hollywood-Touch bekommt. Es sollte nicht so wirken, als sei am Ende alles fantastisch, denn das ist es nicht. Es ist ein wenig einfacher geworden und ich habe schöne Dinge erlebt – aber ich wäre gerne sofort wieder mein altes Ich, das aufsteht, mit dem Mountainbike fährt oder allein surfen geht.
Cameron, in einer berührenden Szene tragen Sie Ihre Frau auf einer Trage einen steilen Hang hoch zu einem für sie besonderen Ort: einem Leuchtturm.
Cameron: Da weine ich noch immer, auch nachdem ich den Film das fünfte oder sechste Mal gesehen habe.
Sam: Das ist wirklich so passiert, wenn auch ein kleines bisschen anders. Cameron hat das an meinem ersten Weihnachtsfest (nach dem Unfall) organisiert – als Geschenk. Ich bin früher oft dort hoch gejoggt, es war mein „happy place“. Unten auf dem Parkplatz warteten also vier unserer Freunde und sie trugen mich gemeinsam mit Cameron hinauf.
Cameron: Viele der Szenen sind wirklich so passiert. Und wenn nicht, dann war das Gefühl, das (das Filmteam) damit vermitteln wollte, trotzdem echt.
Würden Sie es als hilfreich bezeichnen, Ihre traumatischen Erlebnisse nun im Kino noch einmal Revue passieren zu lassen – als eine Art Therapie?
Sam: Ich habe es nie als therapeutisch betrachtet. An den Unfall selbst erinnere ich mich nicht, weshalb ich mich vor dieser einen Szene fürchtete. Ich wollte nicht sehen, wie sie unsere Kinder zeigten, weinend und schreiend.
Cameron: Sie haben es aber sehr sanft realisiert.
Sam: Die Szene, die mich trifft, ist die, in der meine Kinder krank sind und sie nach Cameron rufen und nicht nach mir. Das ist so passiert und ich erinnere mich, wie ich Cameron hinterherrief und fragte: „Was ist los? Was ist los?“ Ich fühlte mich wie die schlechteste Mutter, denn ich sollte diejenige sein, die zu ihnen rennt und schaut, dass es ihnen gut geht.
Was glauben Sie, wie Ihre Geschichte die Leser und Zuschauer beeinflusst hat?
Sam: Ich denke, sie hat die Perspektive vieler Menschen ein wenig verändert. Vielleicht schätzen sie die kleinen Dinge mehr, nehmen nicht alles für selbstverständlich und sind glücklich, dass sie aufstehen und joggen oder spazieren gehen können.
Cameron: Besonders in Pandemiezeiten beschweren sich viele Menschen darüber, dass sie dies und jenes nicht tun können.
Sam: Und da muss ich mich zurückhalten, etwas zu sagen, obwohl ich innerlich denke: „Sei dankbar, dass du rumlaufen kannst.“ Ich denke also, (unsere Geschichte) hat Perspektiven verändert und Hoffnung gegeben.
Im Film sieht man Sie in Form von Naomi Watts und Andrew Lincoln. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Darstellung?
Sam: Ja, sie haben uns sehr gut gespielt. Naomi hatte immer diesen Blick drauf. Sie sagte nicht viel und das tue ich normalerweise auch nicht. Ich schreie nicht, sondern fresse es in mich hinein und man sah ihr diese Frustration und die Wut an.
Cameron: Deshalb war … eine Szene, in der (Sam) alte Fotos zerstört, so wichtig. Man sah diese aufgestaute Wut.
Sam: Das habe ich allerdings nicht wahrhaftig getan.
Hier hat Hollywood also ein wenig dramatisiert?
Sam: Genau.
Cameron: Und wir lieben diese Szene.
Sam: Ich hätte gerne die Fotos zerstört. Mein altes Leben war Vergangenheit und ich wollte diese Fotos von früher nicht mehr sehen, denn sie machten mich traurig. Die alte Sam ist gestorben, sage ich immer.
Sam, besonders für Naomi Watts war es vermutlich schwer, Sie auf eine Weise darzustellen, die Ihnen gerecht wird. Konnten Sie ihr bei der Herausforderung helfen?
Sam: Ja. Ich habe früher sehr viel Wut und Schuldgefühlen in einem Tagebuch auf meinem Telefon Luft gemacht. Diese Notizen habe ich Naomi geschickt, weil ich dachte, sie würden ihr helfen, sich in mich hineinzuversetzen. Denn jemandem, den man kaum kennt, sagt man nicht direkt: „Hi, Naomi! Ich bin Sam! Ja, ich wollte mich umbringen und wünschte mir, ich wäre gestorben.“
Cameron: Beide, Naomi und Andrew (Lincoln), haben zudem jüngere Kinder, ähnlich wie wir. Ich denke, sie haben sich deshalb auch einfach vorgestellt, wie es für sie gewesen wäre.
Haben Sie noch Kontakt?
Sam: Ja, Naomi hat mir zum Geburtstag gratuliert. Sie und Andrew sind wirklich die liebsten Menschen.
Cameron: Wir wünschten, sie hätten länger bleiben können. Andrew und ich sind sogar zusammen surfen gegangen.
Und Ihre Vogeldame Penguin? Hat sie jemals wieder vorbeigeschaut?
Sam: Nein, sie hat uns vor etwa sechs Jahren verlassen.