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„Fast & Furious 9“: Eine Telenovela mit hoher Oktanzahl

„Fast & Furious 9“: Eine Telenovela mit hoher Oktanzahl

Dom Toretto ist zurück! Im Gepäck hat er mal wieder abgedrehte Action, kesse Oneliner und jede Menge Familienliebe. Also alles, wofür die „Fast & Furious“-Reihe geliebt und belächelt wird.

Dominic „Dom“ Toretto, der (kahle) Kopf hinter einer illegalen Straßenrenn-Gang. So lernte das Publikum vor genau 20 Jahren Vin Diesels (53) Figur in „The Fast and the Furious“ kennen. Die Bodenhaftung haben seither nicht nur die kunterbunten Boliden zunehmend verloren. Mit jedem weiteren Teil entwickelte sich die Franchise zu einer abgedrehteren Karikatur ihrer selbst weiter, Überbietungszwang inklusive. „Fast & Furious 9“, der ab dem 15. Juli über die Leinwand heizt, stellt da selbstredend keine Ausnahme dar. Mehr Action, mehr Oneliner, mehr Quatsch – und mehr Kitsch.

Toretto versus Toretto – darum geht es

Dom und seine Ehefrau Leticia „Letty“ Ortiz (Michelle Rodriguez, 42) haben wohl selbst nicht daran geglaubt, ihren Lebensabend in Ruhe und Frieden mit (Adoptiv-)Sohnemann Brian auf dem Land verbringen zu dürfen. Probiert haben sie es nichtsdestotrotz. Als Roman (Tyrese Gibson, 42), Tej (Ludacris, 43) und Ramsey (Nathalie Emmanuel, 32) jedoch unvermittelt vor ihrer Flinte stehen, wird ihnen klar: Vor der Vergangenheit kann man mit keinem noch so schnellen Flitzer entfliehen.

Im Gepäck haben Doms Freunde einen Hilferuf von Mr. Nobody (Kurt Russell, 70). Dessen Flugzeug, mit Superschurkin Cipher (Charlize Theron, 45) an Bord, wurde vom Himmel geholt. Doch nicht genug, dass die Psychopathin, die vor Jahren die Mutter von Doms Kind ermordete, wieder auf freiem Fuß sein könnte. Den Angriff scheint auch noch ein Mann initiiert zu haben, mit dem es ohnehin ein gewaltiges Hühnchen zu rupfen gilt: Jakob Toretto (John Cena, 44) – Doms Bruder!

Die PS-Avengers sind zurück

In seinen nun schon neun Teilen (elf sollen es insgesamt werden) hat „Fast & Furious“ nicht nur eine beachtliche Menge an Feuerwerk abgebrannt. Es haben sich im Laufe der Franchise auch unzählige Charaktere angesammelt – Dom ist nun mal ein Familienmensch. Mit all ihren unterschiedlichen Marotten und Fähigkeiten, von ihrer schieren Anzahl ganz zu schweigen, fühlen sie sich in „F&F 9“ mehr denn je wie die PS-Avengers an. Mit Quasi-Superkräften und tumberen Onelinern. Eine Kostprobe: „Vorsichtig werde ich, wenn ich verletzt bin!“

Der neueste Zuwachs hört nun also auf den Namen John Cena, der als Ex-Wrestler-Ersatz für Dwayne Johnson (49) zu verstehen ist. Den hat es mit „Hobbs & Shaw“ bekanntlich in seinen eigenen Ableger der Reihe getrieben. Überhaupt: Regisseur Justin Lin (49) hat die Timeline der „Fast & Furious“-Reihe über die Jahre wie eine Brezel verknotet. Der eigentlich dritte Teil, „Tokyo Drift“, wurde nachträglich hinter Teil sechs geschoben und durch Teil sieben ergänzt. Und auch der neunte Streich fügt den Geschehnissen in Tokio noch einmal eine neue Facette hinzu. Kurzum: Mal eben ins „Fast & Furious“-Universum für eine Spritztour einsteigen ist nicht. Aber das sollte bei einer Neun im Filmtitel jedem klar sein.

Liebenswert dämlich

Womit die Faszination für die „Fast & Furious“-Filme wohl am besten zusammengefasst werden kann: sie sind liebenswert dämlich. Die wichtigste Botschaft der Reihe seit jeher lautet, dass Familie das absolut, also wirklich absolut Wichtigste auf der Welt ist. Die eigentliche Handlung ist da nur Beiwerk, so auch in Teil neun. Hier treffen Diesel und Cena als Dom und Jakob Toretto aufeinander und stehen sich ein ums andere Mal mit eisernem Blick, irgendwo zwischen Abscheu und tief vergrabener Bruderliebe, wie zwei Zitronengesichter gegenüber. Ob freiwillig bedeutungsschwanger oder unfreiwillig komisch – es unterhält.

So auch die Action-Szenen, bei denen wieder einmal gilt: Die Schwerkraft ist nur ein Vorschlag! Das scheint auch den Figuren inzwischen klar zu sein, die sich nun sogar auf einer Metaebene darüber unterhalten, wie unglaubwürdig ihre Abenteuer doch geworden seien. Neuestes Spielzeug der Recken, auf deren reale Wirkungsweise die Filmemacher geflissentlich pfeifen, sind übrigens Magneten. Die funktionieren in „F&F 9“ immer so, wie es der Plot gerade verlangt. Ergibt keinen Sinn, bietet aber zuweilen rabiate Schauwerte.

So nah können Action und Kitsch beieinanderliegen

Alles kann bei „Fast & Furious 9“ unter dem Deckmantel der Narrenfreiheit aber nicht durchgewunken werden. Angesichts des tragischen Schicksals von Co-Star Paul Walker (1973-2013) ist man seit Teil sieben (2015) ohnehin gewillt, der Reihe mehr Kitsch zu verzeihen, als es unter anderen Umständen der Fall wäre. Bei Sätzen wie „Papa, weißt du, wo Gott wohnt? In deinem Herzen!“ verwundert es aber regelrecht, dass die Leinwand vor lauter Schmalz nicht durchsichtig wird.

Im Grunde operiert „Fast & Furious“ inzwischen wie eine lupenreine Telenovela mit hoher Oktanzahl. Entfremdete Brüder kehren zurück, Totgeglaubte ebenso. Amnesie, Intrige, Rache, Versöhnung. Doch wie manch eine Dailysoap fesselt die Filmreihe nicht trotz, sondern dank ihrer hanebüchenen Plottwists nun schon seit zwei Jahrzehnten ein Millionenpublikum an den Kinositz. Das muss man nicht mögen. Aber respektieren.

Fazit:

Teil neun von „Fast &Furious“ bietet alles, wofür die Reihe geliebt und belächelt wird – und noch ein bisschen mehr. Selbst der Weltraum ist für Dom Toretto und Konsorten nicht mehr die finale Grenze. Wie das alles in der nächsten Ausgabe übertroffen werden soll? Gute Frage. Und eine, die die Filmreihe nun schon seit einigen Teilen begleitet. Für den abschließenden elften „F&F“-Streich bleibt allmählich nur noch das Thema Zeitreise übrig – so ein DeLorean würde Dom Toretto sicherlich gut zu Gesicht stehen. Auf die 88 Meilen pro Stunde könnte er ja runterbremsen.