Mit „Black Widow“ startet am 8. Juli der erste Film innerhalb von Phase vier des Marvel-Universums in den Kinos. Einen Tag später kommen auch Disney+-Abonnenten mit VIP-Zugang in den Comicfilmgenuss. Der Blockbuster mit Superstar Scarlett Johansson (36) in der Hauptrolle bringt neue Details aus der Vergangenheit der Heldin Natasha Romanoff ans Licht, die zum ersten Mal 2010 in „Iron Man 2“ auftauchte und später als Teil der Avengers in vielen weiteren Marvel-Blockbustern mitmischte. Kann der Film rund um die Ex-KGB-Spionin, die keine Superkräfte im eigentlichen Sinn besitzt, mit den Ursprungsgeschichten von übermenschlichen Avengers-Kollegen wie Captain America und Thor mithalten? Definitiv!
Patchwork-Familie vs. „der rote Raum“: Die Handlung
Was vorab gesagt werden muss: „Black Widow“ ist keine Ursprungsgeschichte im herkömmlichen Sinne, deren Handlung komplett in der Vergangenheit verortet ist. Stattdessen fügt sich der Streifen zeitlich zwischen „The First Avenger: Civil War“ (2016) und „Avengers: Infinity War“ (2018) ein und bietet in Form von Rückblenden immer wieder Einblicke in die Kindheit und Jugend der Heldin. Die wohl einprägsamste Sequenz, die im Jahr 1995 spielt und deren Inhalt hier nicht vorweggenommen werden soll, packte Regisseurin Cate Shortland (52) direkt an den Beginn ihres Films. Nur so viel: Sie zeigt Natasha Romanoffs Leben mit ihrer mehr als ungewöhnlichen „Ziehfamilie“ im ländlichen Ohio und ihr fehlt es weder an Gefühl noch Spannung.
Worum es in „Black Widow“ grundsätzlich geht? Natasha Romanoff wird in Folge der Ereignisse aus „Civil War“ von einem US-amerikanischen Spezialeinsatzkommando gejagt und taucht zunächst in Norwegen unter. Plötzlich muss sie sich zusätzlich den dunklen Seiten ihres früheren Lebens stellen, als sich eine gefährliche Verschwörung mit Verbindungen zu ihrer Vergangenheit und dem sogenannten „roten Raum“ auftut. Verfolgt von einer Macht, die vor nichts zurückschreckt, um sie zu Fall zu bringen, trifft die mutige Kämpferin auf alte Bekannte und muss sich mit ihrer Vorgeschichte als Spionin des KGB und den zerbrochenen Beziehungen auseinandersetzen, die sie hinterlassen hat – lange bevor sie ein Avenger wurde.
Geballte Frauen-Power und ein abgehalfterter „KGB-Cap“
Eine dieser Beziehungen ist die zu einer anderen „schwarzen Witwe“ namens Yelena Belova, gespielt von Florence Pugh (25). Die Britin, die trotz ihres jungen Alters 2020 bereits dank ihrer Leistung in „Little Women“ für den Oscar nominiert war, liefert verglichen mit ihrer elf Jahre älteren Kollegin Johansson eine absolut ebenbürtige Darstellung ab – und besticht zudem mit einer ordentlichen Portion Coolness und Witz. So bezeichnet sie ihre ältere Mitstreiterin in einem Moment augenrollend als „Poserin“ und schwingt sich im nächsten gekonnt hinter sie aufs Motorrad, um eine atemberaubende Verfolgungsjagd zu bestreiten und sich im Doppelpack den bösen Buben zu stellen.
Das Zusammenspiel von Scarlett Johansson und Pugh sowie die schwesternartige Dynamik zwischen ihren Charakteren steht ohne Frage im Zentrum von „Black Widow“. Zu den Hauptfiguren zählen zudem die „Zieheltern“ der beiden: Melina Vostokoff (Rachel Weisz, 51), ebenfalls eine Black Widow, und Alexei Shostakov (David Harbour, 46), genannt „Red Guardian“. Letzterer wurde ursprünglich vom KGB als Gegenpol zu Supersoldat Captain America erschaffen und ist als humorvoller Sidekick wohl der heimliche Star des Films. Für aberwitzige Momente sorgt der verwahrloste pummelige Russe beispielsweise, als er sich mit Ach und Krach in seinen alten Superheldenanzug quetscht und missgünstig neidische Vergleiche mit Held „Cap“ anstrengt. Bösewicht Dreykov, wenn auch gut gespielt von Ray Winstone (64), geht bei so viel Widow- und Red-Guardian-Power leider ein wenig unter.
Was bietet „Black Widow“ – und für wen lohnt sich der Film?
Was „Black Widow“ auf den ersten Blick bietet, ist die Marvel-typische Mischung aus einer schnell erzählten Handlung, einer ordentlichen Ladung Humor, beeindruckenden Actionsequenzen und mehreren Ortswechseln. Die Zuschauer entführt der Streifen neben den USA und Norwegen unter anderem nach Marokko und Ungarn. Scarlett Johansson, die im Kreise der Avengers schon immer irgendwie herausstach, liefert eine gewohnt souveräne Leistung ab und bekommt mit großer Verspätung endlich einen eigenständigen Blockbuster – und somit die Wertschätzung im Marvel-Universum, die sie verdient.
Der tiefergehende Blick liefert erneut eine Erkenntnis, die zum Teil bereits dank „Wonder Woman“ (2017) und „Captain Marvel“ (2019) gewonnen wurde: dass es nicht zwingend Männer braucht, um eine unterhaltsame und spannende Comicverfilmung auf die Leinwand zu zaubern. Hauptdarstellerin Johansson und die starken weiblichen Marvel-Newcomer Florence Pugh und Rachel Weisz – sowie Überraschungsstar Olga Kurylenko (41, „James Bond 007: Ein Quantum Trost“) – liefern quasi eine „Four-Women-Show“ ab, auf der männlichen Seite sticht lediglich der aberwitzige „Stranger Things“-Star David Harbour heraus. Und auch übermenschliche Superkräfte sind nicht notwendig – eine weitere Erkenntnis, die das Publikum dank der Macher rund um Filmemacherin Shortland gewinnt.
Zusammengefasst ist „Black Widow“ typisches Popcorn-Kino, das blendend unterhält und den Zuschauer knapp zwei Stunden lang dem Alltag entfliehen lässt. Obwohl es zweifelsohne von Vorteil ist, wenn man sich in der Marvel-Welt ein wenig auskennt, dürften neben erprobten Comicfilm-Fans auch Genre-Neulinge auf ihre Kosten kommen. Letztendlich muss man nicht immer jede Drehung und Wendung innerhalb der Handlung verstehen, um einen Superheldenfilm aus der Marvel-Schmiede genießen zu können.